Zum Inhalt (Access key c)Zur Hauptnavigation (Access key h)Zur Unternavigation (Access key u)

09. November 2016

Kreis Paderborn genehmigt voraussichtlich „unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts“ die im Juli 2015 abgelehnte Windkraftanlage in Dörenhagen

Gutachter, Landkreistag NRW und Gemeindeversicherungsverband sowie Fachleute des Kreises attestieren möglichen Rechtsmitteln kaum Chancen auf Erfolg

Karten von Borchen mit Windkraftanlagen  
Karten von Borchen mit Windkraftanlagen

Der Kreis Paderborn wird die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windkraftanlage mit einer Gesamthöhe von 180 m in Dörenhagen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Minden (VG Minden) voraussichtlich erteilen müssen. Das Gericht hatte in seinem Urteil vom 28. September die 23. Änderung des Flächennutzungsplanes (FNP) der Gemeinde Borchen „in Gänze“ für unwirksam erklärt. Die dort erfolgte Ausweisung von Windkonzentrationszonen sei „in Bezug auf den Abwägungsvorgang in erheblicher Weise mangelhaft“, so das Gericht. Deshalb sei auch die festgeschriebene Höhe von 100 m für die Errichtung von Windkraftanlagen unwirksam. Der Kreis müsse somit erneut über die von ihm im Juli 2015 abgelehnte Windkraftanlage entscheiden, so das Gericht. Das VG Minden selbst hatte gegen das Urteil keine Berufung zugelassen. Der Kreis Paderborn stand deshalb als Beklagter vor der Frage, ob ein Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Münster eine Aussicht auf Erfolg haben könnte. Gleichzeitig musste die Kreisbehörde abwägen, was passieren könnte, wenn sie das vorliegende Urteil des Verwaltungsgerichts als nicht existent betrachtet und die beklagte Anlage weiterhin ablehnt. Das vom Kreis Paderborn beauftragte Fach-Rechtsanwaltsbüro, der Landkreistag NRW, der Gemeindeversicherungsverband sowie alle mit der Materie befassten Fachleute der Kreisverwaltung Paderborn „kommen einhellig zu dem Ergebnis, dass die Argumente des Gerichts nachvollziehbar sind und der Kreis nicht mehr von der Wirksamkeit des FNP ausgehen kann“, erklärte Landrat Manfred Müller in der gestrigen Kreistagssitzung. „Für die Kreisverwaltung Paderborn entsteht als handelnde Behörde nach Vorliegen eines Urteils, das sich an der aktuellen Rechtsprechung orientiert, eine Rechtspflicht zum Handeln“, bekräftigte Müller. Anderenfalls drohten Schadensersatzleistungen in Millionenhöhe zu Lasten der Kreisumlage und damit aller Städte und Gemeinden. Der Paderborner Kreistag stärkte dem Landrat in der gestrigen Kreistagssitzung in dieser Entscheidung den Rücken. Auf die ausdrückliche Frage des Landrats, ob der Kreis Paderborn anders agieren sollte als von den Juristen vorgeschlagen, hob sich keine Hand.

Dr. Bele Carolin Garthaus vom Rechtsanwaltsbüro Baumeister in Münster erläuterte den Kreistagsmitgliedern zunächst die Inhalte des Urteils. Zwar sei der Flächennutzungsplan von der Gemeinde Borchen aufzustellen, mögliche Entschädigungsansprüche würden aber allein beim Kreis Paderborn als Genehmigungsbehörde anfallen. Die Gemeinde Borchen als Beigeladene könne ebenfalls, aber ohne finanzielles Risiko, einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen. Ob der Kreis sich dem nun anschließe oder nicht, ändere nichts an den fraglichen Erfolgsaussichten. Garthaus betonte, dass das Gericht alle Planänderungen sorgfältig geprüft habe und schwerwiegende inhaltliche Mängel festgestellt habe. Zudem könne mit einer richterlichen Entscheidung in diesem Verfahren erst in ca. 2 Jahren gerechnet werden. Selbst wenn dieses Rechtsmittel vom Oberverwaltungsgericht Münster zugelassen werden würde, sei in der Hauptsache zunächst noch nichts im Ergebnis entschieden. In der Zwischenzeit würde also viel Zeit ins Land ziehen, in der ein Investor viel Geld verlieren und Entschädigungsansprüche geltend machen könnte. „Wir befinden uns hier in einem Dilemma“, sagt der Landrat. Der Kreis Paderborn könne nicht anders als zu genehmigen. Der Gemeinde Borchen bliebe es jedoch unbenommen, ihre Rechtsauffassung durch eine Klage gegen eine Genehmigung überprüfen zu lassen. Eine solche Klage hätte möglicherweise auch eine aufschiebende Wirkung.

„Der Bürgermeister der Gemeinde Borchen ist gut damit beraten, nun schnellstmöglich einen fehlerfreien und rechtsgültigen Aufstellungsbeschluss für einen neuen Flächennutzungsplan herbeizuführen“, betont Landrat Manfred Müller. Nur so könnten neue Anträge zurückgestellt werden. Und nur so könne die Gemeinde von ihrem Planungsrecht wirksam Gebrauch machen und den weiteren Bau von Windrädern städtebaulich steuern. Der erste Anlauf am 26. Oktober habe nicht geklappt, weil der Punkt nicht auf der Tagesordnung der Ratssitzung der Gemeinde Borchen gestanden habe und damit nicht öffentlichkeitswirksam bekannt gemacht worden sei. In der Ratssitzung am 7. November sollte dies nun ohne Formfehler nachgeholt werden.

Signale habe es genügend gegeben, bekräftigt Landrat Manfred Müller. Spätestens im November 2012 bzw. im Juli 2013, als die Flächennutzungspläne in Bad Wünnenberg bzw. Büren, also „vor der Haustür“ seitens des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster gekippt worden waren, weil die Ausweisung von Windvorranggebieten mit Fehlern behaftet war, hätte Borchen reagieren können und müssen. Das OVG Münster habe in beiden Fällen deutlich herausgestellt, dass bei der planerischen Ausweisung von Windkonzentrationszonen zwischen so genannten harten und weichen Tabuzonen unterschieden werden müsse. Seine Behörde habe in der Vergangenheit mehrfach betont, dass der Flächennutzungsplan der Gemeinde Borchen überarbeitet werden müsse. Mit Schreiben vom 26. Mai 2015 sei dies in schriftlicher Form erfolgt. „Mit Blick auf die Nachbarstädte musste jeder Stadt oder Gemeinde klar sein, dass sie ein hohes Risiko eingeht, wenn sie ihren Flächennutzungsplan nicht aktualisiert“, unterstreicht Müller. Als sich abzeichnete, dass der Flächennutzungsplan vor dem Verwaltungsgericht kippen könnte, hätte ein Aufstellungsbeschluss gereicht, um Anträge zurückzustellen. Mittlerweile habe die Gemeinde 19 Anlagen verfristen lassen. Aus Sicht des Landrats hat die Gemeinde auch eine dritte Gelegenheit verstreichen lassen. Wenn sie in „letzter Sekunde“ das gemeindliche Einvernehmen zur Windkraftanlage in Dörenhagen erteilt hätte, wäre es nicht zu einem Urteil gekommen. Gleichzeitig hätte hier ein „Plan B“ verfolgt werden können: Durch die Herbeiführung eines Aufstellungsbeschlusses hätte die Gemeinde in der Zwischenzeit am alten Plan festhalten können.

„Nun stehen wir hier und können nicht anders“, bekräftigt Müller. Alle mit dieser Angelegenheit befassten Juristen kämen derzeit einhellig zum Ergebnis, dass der Kreis Paderborn die Rechtsauffassung des Gerichts respektieren müsse. Der Landkreistag NRW betont in seiner Stellungnahme, dass das VG Minden seine Entscheidung auch mit einer Reihe von inhaltlichen Mängeln begründet habe und damit der in den letzten Jahren verfeinerten, höchstrichterlichen Rechtsprechung folge. Zum Hintergrund: Nach § 35 BauGB sind Windräder im Außenbereich privilegiert zulässig. Einfach formuliert: Investoren dürfen überall außerhalb von bebauten Wohngebieten Windräder bauen. Wenn Städte und Gemeinden potenziellen Investoren genau dieses Baurecht nehmen wollen, indem sie Zonen und damit Gebiete ausweisen, in denen Windräder stehen dürfen oder eben auch nicht, so müssen sie das städtebaulich gut begründen. Genau das ist in Borchen aus Sicht des Gerichts nicht erfolgt. „Die Argumentation des Gerichts erscheint hierbei im Wesentlichen nachvollziehbar und stichhaltig“, schreibt der Landkreistag wörtlich. Nach den Feststellungen des Gerichts stünden Darstellungen im Flächennutzungsplan der Genehmigung nicht mehr entgegen.

Der Gemeindeversicherungsverband hält das Urteil des VG Minden ebenfalls für nachvollziehbar und sieht geringe Erfolgsaussichten für die Einlegung von Rechtsmitteln. Eine solche Höhenbegrenzung wie im beklagten Fall bedürfe einer konkreten städtebaulichen Rechtfertigung und setze eine Abwägung mit den wirtschaftlichen Belangen der Betreibergesellschaft voraus. Es bestehe deshalb durchaus die Möglichkeit, dass das OVG unabhängig von den Feststellungen des VG Minden auch diesen Gesichtspunkt aufgreife und den Flächennutzungsplan für nichtig erkläre. Wenn der Kreis in einer solchen Situation nicht handelte, drohten Entschädigungsansprüche in Millionenhöhe, die nicht von der Versicherung gedeckt seien.

Aktuell sind in Borchen 31 Windräder beantragt. Für 19 weitere Windräder kann keine Zurückstellung erfolgen. Hier kann der Aufstellungsbeschluss zur Flächennutzungsplanänderung nicht mehr greifen. Dieser hätte innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Gemeinde förmlich von den Genehmigungsverfahren Kenntnis erlangt hat, gefasst werden müssen. Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 28. September sind bislang keine weiteren Anträge gestellt worden.

Bei allen beantragten Windkraftanlagen werden derzeit noch die immissionsschutzrechtlichen Voraussetzungen geprüft.

Weitere Pressemitteilungen zum Thema

Wo dürfen Windkraftanlagen gebaut werden? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein? Welche Rolle spielt dabei der Kreis Paderborn? Mehr Informationen finden Sie hier.

 
 
 

Kontakt

 
 
 

Anschrift

Kreis Paderborn
Aldegreverstraße 10 – 14
33102 Paderborn

Kontakt

Telefon: 05251 308 - 0
Telefax: 05251 308 - 8888
E-Mail senden

 
RAL Gütezeichen
Vorbildliches Europa-Engagement als „Europaaktive Kommunen“